RealLabor Göttingen beistert Studierende der TH Ingolstadt: „Alles, was Ihr mitgebracht habt, stärkt die Gemeinschaft. Das habe ich so noch nicht erlebt und ist so wertvoll für mich.“ Natasha, Studentin aus Sambia
Ein unvergesslicher Dezembertag an der Technische Hochschule Ingolstadt liegt hinter uns. Dr. Annette Risi lädt Wilfried Schley und Katharina Wyss-Schley ein, zwei Gruppen ihrer Studierenden (deutschsprachig & international) gemeinsam zu begleiten.
Der Wunsch ist, dass 2025 eröffnete „RealLabor Göttingen“ vorzustellen und erlebbar zu machen. Wir spannen den Bogen von der Einführung, über Gesprächsrunden und Wahrnehmungsübungen in Bewegung, bis zum 4D-Mapping.
Zunächst werden sie in die Kultur und Haltung des „RealLabor Göttingen – Friedliche Bildungsrevolution“ eingeführt. Eindrücklich und erschreckend sind ihre Stimmen. Das Fazit beider Gruppen von Studierenden lautet:
Hochschule verbinden sie nicht mit Inspiration, Verbundenheit und Mut.
Die Studierenden sprechen ihren Schmerz aus. Es ist offensichtlich, dass sie erstmal in einer Hochschule Raum bekommen, um in der Runde gefragt und gehört zu werden, wie es ihnen wirklich geht.
„Wir können auch diese Briefe schreiben, wenn es in Richtung Prüfung geht.“ Dabei bezieht sich eine Studentin auf die 70 Briefe von Schüler:innen, die der Anlass sind für die Gründung des Vorbildes der „RealLabore Friedliche Bildungsrevolution“, dem RealLabor Leipzig.

Die Erkenntnisse des Gehörten fließen in der Vorbereitung für das 4D-Mapping ein: Den Studierenden geben wir spontan die gesetzte Rolle „Die Benachteiligten“. Um die Methode des 4D-Mapping für die Student:innen leicht und spielerisch zugänglich zu machen, bringen wir das Thema und die Rollen mit.
„Wer sind die agilsten und kraftvollsten Partner:innen in der Bildungsregion Göttingen, um den Kulturwandel voranzubringen?“. Dieser Frage gehen wir in jeweils 90 Minuten mit jeder Gruppe nach und erleben zwei eindrucksvolle Aufstellungen, die immer eine Momentaufnahme abbilden.
Diese drei Rollen werden beim 4D-Mapping immer vergeben:
- Planet Erde
- Das höchstmögliche Potenzial
- Die Benachteiligten
Als Fallgeberin benennen wir die weiteren Rollen, die eine hohe Relevanz zum Thema haben. Durch die überschaubare Gruppe von zehn Studierenden, entscheiden wir uns für die folgenden drei:
- Die Dozent:innen
- Die Hochschul-Leitung
- Das RealLabor Göttingen
Zu beachten ist, dass die freiwillig aufgestellten Personen (Stellvertreter:innen) in der Realität nicht die identische Rolle innehaben. Lediglich bei der Rolle „Die Studierenden“ haben wir eine Ausnahme gemacht. Ebenso braucht es Zuschauer:innen oder Bürger:innen, die das Geschehen im Anschluss aus ihrer Perspektive beschreiben.
Die Benachteiligten: „Die Studierenden“
Während des 4D-Mappings folgen die Stellvertreter:innen ihrer Intuition. Soweit es ihnen möglich ist. Es gibt dabei kein richtig und kein falsch. Hier wird geübt, das Gedachte loszulassen, um auf innere Impulse zu vertrauen. Die Aufstellung verläuft in zwei Phasen: Skulptur 1 und Skulptur 2. Nach jeder der beiden Phasen werden die Stellvertreter:innen gefragt, welcher Satz oder welches Wort jetzt gesagt werden möchte. Dazwischen kommen sie in Bewegung und verändern ihre Position oder Körperhaltung.
Die folgenden Notizen und Betrachtungen stammen vom 4D-Mapping mit den Studierenden außerhalb Europas. O-Töne zur Skulptur 2:
Die Erde: „Ich fühle Verbundenheit und Harmonie.“
Das RealLabor Göttingen: „Was ist der Sinn meines Lebens? Ich möchte in Verbindung sein mit dem Planeten Erde.“
Das höchstmögliche Potenzial: „Lasst uns teilen und austauschen!“
Die Studierenden: „Das ist die kraftvollste Verbindung!“
Die Hochschul-Direktion: „Ich habe auf alles Einfluss.“
Rettung in Sicht
Das 4D-Mapping mit den Studierenden, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen kommen, zeigt in der finalen Position, wie sich das höchstmögliche Potenzial „Wohlbefinden / Well Being“ entfalten kann.
Das „RealLabor Göttingen“ ist mit dem „Planet Erde“ in direktem Kontakt. Die Erde sitzt dabei auf dem Boden, die Hände des RealLabors (stehend) ruhen auf den Schultern der Erde.
Direkt vor ihnen verbinden sich die „Studierenden “ (sitzende Position) über die Hände mit den „Dozent:innen“ (stehend) in einer Linie mit dem „Wohlbefinden / Well Being“ (auf dem Tisch stehend). Das höchstmögliche Potenzial ist mit seinem gesamten Körper den beiden zugewandt.
Währenddessen sitzt die „Hochschulleitung“ mit verschränkten Armen mit einiger Entfernung zu allen anderen Akteur:innen. O-Ton: „Ich habe hohen Einfluss auf alle Verbindungen! Ich kann sie sehen und alles kontrollieren.“ In dieser Verkörperung ist Macht, Distanz und Hirarchie wahrzunehmen.
Fazit: Die Lehrkräfte sind in direktem Kontakt mit dem „Wohlbefinden / Well Being“ und bauen die Brücke zu den Studierenden. Damit nehmen die Lehrkräfte eine zentrale Rolle im Geschehen ein.
Ob wir von Hochschule oder Schule sprechen, spielt keine Rolle. Übertragen heißt dies: Lehrkräfte sind auf allen Ebenen zu stärken. Wenn sie bereits im (Hoch)Schuldienst sind, dann können als Erste-Hilfe-Maßnahme Programme eingeführt werden, die systemisch wirken und das gesamte Kollegium einladen, wie MeTAzeit. Hier wird – und es ist als Programm in dieser Kombination bisher einzigartig – (betriebliches) Gesundheitsmanagement, Achtsamkeit als Haltung sowie das Körperwissen & -bewusstsein kultiviert.

Eine verkörperte pädagogische, professionelle Haltung, um für Menschen Lern-Räume halten zu können, ist eng verbunden mit stetiger Selbstfürsorge und Selbstreflexion – im Idealfall in einem multiprofessionellen Team.
Die Hochschul- und Schulkultur vom Ego zum Eco zu verwandeln, kann nur ein ganzheitlicher Prozess sein. Hierfür bedarf es, mit dem ökosystemischen Blick, wie im 4D-Mapping, die Mitgestaltung und das Miteinbeziehen aller Beteiligten. Räume zum Wahr nehmen zu kultivieren, ist elementar.
Zurück zu den Studierenden: Alle brauchen Erfahrungsräume mit 4D-Mappings. So kann es dann auch öfter bahnbrechende innere Erkenntnisse geben. So sprach ein Student voller Ergriffenheit, dass er durch das Mitwirken Antworten auf eigene Fragen bekam, wonach er bereits jahrelang suchte. Für ihn fügten sich Puzzleteile zusammen.
Wie Otto Scharmer und Arawana Hayashi das 4D-Mapping verstehen
Im Kontext der Theorie U beschreiben Otto Scharmer und Arawana Hayashi für das 4D-Mapping vier Ebenen eines Systems, von außen nach innen bzw. von sichtbar nach unsichtbar: Strukturen, Beziehungen, mentale Modelle, Bewusstsein.
- Strukturen
formale Prozesse, Rollen, Regeln, Systeme, Organisation - Beziehungen / Interaktionen
Kommunikationsmuster, Zusammenarbeit, Macht- und Vertrauensdynamiken - Denken / mentale Modelle
Annahmen, Überzeugungen, Narrative, Denklogiken - Bewusstsein / innere Quelle
Haltungen, Werte, Intentionen, Qualität der Aufmerksamkeit („von welchem inneren Ort aus handeln wir“)
„Ich fühle, wie eine positive Stimmung mich hier in diesem Raum durchflutet.“ (Studentin)
Meine Erkenntnis dieses außergewöhnlichen Tages an der TH Ingolstadt ist: Was verstärken ein 4D-Mapping, Wahrnehmungsübungen zu zweit oder in kleinen Gruppen und ebenso Gesprächskreise, die in einem echten Vertrauensraum stattfinden? Kohärenz. Je mehr wir uns in Kohärenz üben, um so besser. Für uns alle.
Zur Idee des RealLabor Bildung
Inzwischen sprießen mit dem RealLabor Leipzig vernetzte Initiativen aus dem Boden, die ebenso ein RealLabor Friedliche Bildungsrevolution gründen wollen. Im Frühjahr 2026 wird eine gemeinsame Website freigeschaltet, entwickelt vom RealLabor Leipzig.
Text: Katharina Wyss-Schley


