Zukunft zieht Kreise: Impulswelt Maitlisek

Matthias Vogel-Engeli, Co-Schulleiter der Maitlisek & Wilfried Schley, LEA Education

In der Nähe von St. Gallen, in Gossau, eröffnet sich uns eine ungewohnte Welt, die überrascht und vom erlebten Niveau zur Best Practice* Liga von Schulen gehört. Wir sind mit Matthias Vogel-Engeli in der Maitlisek verabredet. Von außen könnte das Gebäude eine Schule sein. Hinter der Eingangstür greifen dann keine gängigen Bilder mehr. Eine eindrucksvolle Impulswelt hat sich hier entwickelt, die auf der Idee von drei Kreisen basiert: Mensch, Raum und Zeit.

Co-Schulleiter Matthias Vogel-Engeli strahlt eine hohe Freundlichkeit, Klarheit und hohe Beweglichkeit aus. Er nimmt uns kurz mit in die Verwaltungsräume und stellt uns dem Team vor. Die Architektur wirkt durchgängig hell, transparent und offen. Sind wir in einem Gestaltungsbüro oder einer modernen Akademie gelandet? Diese Schule, bereits 100jährig, hatte das Glück, dass vor 10 Jahren Matthias Vogel-Engeli kam, um konsequent der neuen Generation von Schüler:innen eine neue Generation von Schule zu bieten. Das war ein mutiger und notwendiger Weg.

Jugendliche entfalten sich inzwischen jahrgangsübergreifend von der 7. bis zu 10. Klasse im Kosmos von diesem Kreativhaus – der katholischen Mädchen-Sekundarschule Maitlisek. „Was ist mir wichtig, wie will ich leben, was macht mich aus, wie kann ich respektvoll, sinnstiftend und nachhaltig mit mir, den Menschen und der Welt umgehen?“ Sich von Fragen leiten zu lassen, um seine »Innenwelt« und »Aussenwelt« bewusst zu gestalten, hält Matthias Vogel-Engeli für essentiell.

Im Kern geht es um Lebenskompetenzen, mit denen die jungen Menschen weiterreisen

Das ganze Geschehen, die Atmosphäre in der Maitlisek ist nach vorn gerichtet. Alle Räume eröffnen Möglichkeiten – von der Bibliothek, die früher ein Sportsaal war, bis hin zu den Kreativateliers. Auf den Böden in fast allen Räumen sind Impuls-Kreise in unterschiedlichen Farben und Stärken zu sehen. Spannend ist herauszufinden, wo ihre jeweilige Mitte liegt. Kleine, Zuversicht gebende Botschaften sind an den Fenstern und Türen zu finden. So wird das Leitbild, Impulse zu setzen, visuell aufgegriffen. Die durchgängige Ästhetik begeistert.

Wir starten auf dem Dorfplatz, mit nachgebauter Bushaltestelle und Bildkulisse von Gassau, wandeln an den Coaching-Räumen vorüber und sind schon auf dem Weg in den Musikraum. Rasch noch den Klang des Konzertflügels getestet, eröffnet sich hinter der nächsten Tür ein großzügiger Meditationsraum. Das indirekte Licht an der Decke bildet ein Oval. Hier finden sich die jungen Frauen ein für angeleitete Yoga, Meditations- und Achtsamkeitspraktiken.

Die Treppen nach oben führen in die Lernateliers. Auch hier, wo jeder seinen Schreibtisch hat, wird auf ein ästhetisches Zusammenspiel geachtet. Je nach Grad der Selbständigkeit, bekommen die Schülerinnen unterschiedliche Rechte im Gestalten ihres Lernens.

Die Gebäude der Maitlisek, aus unterschiedlichen Architekturepochen, verbinden sich zu einem lebendigen Ganzen. Das Haus mit den gelben Fensterläden zieht unsere Blicke auf sich und lädt zu einer Zeitreise ein. Hier, im Impulsraum im 1. Stock, fanden die ersten Gespräche und Diskussionsrunden für den heutigen Status quo statt.

Im Zentrum jeglichen Tuns liegt der Impuls, die Anregung zu Lernen und zu Handeln.

Mehr als Schule, mehr als Lernen

Mit der Impulswelt begann die Entwicklung der jetzt sichtbaren Gestaltung. Das didaktische Prinzip der Impulsgestalt folgt diesen drei Punkten: Fasziniation, Zieldefinition, Impulse und Planung. Mit Zeichnungen, die einladend visualisieren, hat die Transformation in der Maitlisek begonnen.

Der Wertschätzung für Anfänge und Übergänge, die Visualisierungen von damals im Impulsraum (mit den gelben Fensterläden) begeistert uns. Auf den angepinnten Blättern von damals ist beispielsweise zu lesen: Arbeit in Unterrichtsteams, Aufteilung in Entwicklungsphasen, Zeitblöcke, Arbeit- und Lerngruppen.

Um dorthin zu gelangen, gehen wir durch die Textilwerkstatt und werfen neugierige Blicke in die Bücher und an die Wandtafel. Auf einem Tisch liegt das Buch: „Nach kaputt kommt schöner – Textile Reparaturen von Hand“. Wie anregend!

Gestalten bedeutet, mich selbst zu entdecken und zu staunen, dass ich das kann.

Neue Arbeitswelten brauchen neue Schulwelten. Das pädagogische Konzept der Maitlisek basiert auf dem agilen, personalisierten, kompetenzorientierten Lernen. Dazu passt das Format Frei DAY perfekt. In einer Jahrgangsstufe ist dieses zukunftsfähige Lernformat bereits ganztägig freitags eingeführt. Hier stellt das Leben die Fragen. Die jungen Menschen werden befähigt, die Herausforderungen unserer Zeit selbst anzupacken und diesen mit Mut, Verantwortungsbewusstsein und Kreativität zu begegnen. Entrepreneuership steht im Mittelpunkt.

Die zentralen Elemente des pädagogischen Konzeptes, die Wertehaltung, die Beziehungskultur und die Orientierung an Impulsen, spiegeln sich nicht nur in den Menschen, sondern auch in der gesamten Raumarchitektur wider.

Räume sind an der Maitlisek sichtbar die dritten Pädagogen und zugleich Werkzeuge.

So gibt es Impulsräume für Inputs, Lernateliers zum Selbststudium, die GartenWELT, den Makerspace, Holz- & Metallateliers, Küchenatelier, Kunst-, Textil- und Musikateliers, das Radio- sowie TV-Studio sowie außerschulische Makerspaces.

In den letzten zwei Stunden ging es die Treppen auf und ab. Unser Rundgang durch alle Gebäude neigt sich dem Ende zu. Die Entwicklung in der Maitlisek geht weiter. Matthias Vogel-Engeli hat noch viel vor. In der Cafétaria steigen wir nochmals tiefer in Gespräche ein. Wir sind zutiefst dankbar für diesen gemeinsamen Zeit-Raum, der uns bereichert und inspiriert hat. Für uns steht fest, wir kommen wieder!

Eckdaten zur Schule:
123 Schülerinnen, 3 Jahrgangsteams (6 Einzelteams), 16 Lehrpersonen, 3 Unterrichtsassistent:innen, eigener Schulrat, Co-Leitung, Schulseelsorge, Mediamatikerin i.A.

Matthias Vogel-Engeli ist neben seiner Rolle als Co-Schulleiter Primar & Sekundarlehrer Phil II, Schulentwickler, Lernhausleiter SBW Haus des Lernens, Projektbegelter Institut IDIB-PHSG (Digitale und informatische Bildung der PH St. Gallen), Themenhüter Begleiter Modellschulen ITBO (IT Bildungsoffensive des Kanton St. Gallen) und selbständiger Schulentwickler loop4you.

www.maitlisek.ch
Imagefilm

* Eine Best-Practice-Lösung ist jene Praxis in Schule oder Unterricht, die gezeigt hat, dass sie unter den gegebenen Bedingungen wirkt, Lern- bzw. Entwicklungsprozesse unterstützt und daraufhin als Modell für die Weiterentwicklung anderer Settings dienen kann.

Text & Fotos: Katharina Wyss-Schley & Wilfried Schley